Der Mann in der Leinwand – 2017

Kolumne

Wenn wir ins Kino gehen und betrachten einen guten Film blenden wir äußere Realitäten aus, würden wir mit äußeren Maßstäben einen Film betrachten, würde uns der jeweilige Film keinen Spaß machen. Wir lassen uns also Bewusst belügen, je besser das ein Film macht desto mehr verlieren äußere Umstände an Bedeutung; das kann der Popkornschmeiser hinter dir sein, dein Suchtdruck auf eine Kippe oder deine Frau neben dir. Wir sind eben im Film und gleichzeitig draußen.

Wechseln wir mal die Perspektive, stellen wir uns vor wir sind der Typ auf der Leinwand, der Protagonist. Mit welchen Informationen wird er versorgt, welches Wissen hat er, würde er anders handeln, wenn er mehr Informationen hätte. Welche Entscheidungen verfolgt er, geht er analytisch vor, handelt er nach dem Bauch oder gar affektiv?

Oder interessieren uns die realen Produktionsbedingungen der Filmcrew, wie dieser Film entstanden ist, der nervige Regisseur, der klagende Kameramann, die schlechte Bezahlung, eher weniger. Wir wollen das alles nicht wissen, weil uns vielleicht sonst die Illusion geraubt würde und wir keinen Spaß mehr am Film hätten; manchmal ist eben zu viel Information auch schlecht.

Wir wandeln in der subjektiven Logik des Protagonisten, würde sich der Typ dieser inneren Logik bewusst, wie würde er handeln. Irgendwie verschroben, den na klar bekam er nur gewisse Informationen die die Story weitertreiben und warum hatte er einen Antagonisten, haben viele andere ja auch nicht und die Dialoge waren ja auch nicht immer völlig naturgegeben. Er wurde sich bewusst es stimmt was nicht, aber was? Wieso bekam er auf gewisse Fragen keine Antworten? Warum kamen seine Freunde immer dann zum Auftritt, wenn er versucht sich zu befreien?  Warum hatte er keinen Freund der ihm sagt, du so oder so schaut es aus?

Würde er den nicht misstrauisch werden, wegen seiner Unwissenheit? Wäre er den nicht Realitätsfern in bestimmten Situationen? Wie würde er mit Täuschungen umgehen, wenn er seine Wirklichkeit nicht überprüfen könnte? Warum kam es den immer zu Konflikten, wenn er Antworten bekommen will? Warum war sein soziales Umfeld genau immer einer anderen Wirklichkeitsauffassung, und was würde das mit Ihm machen? Er war sozusagen auf der Leinwand gefangen!

Und der dimensionale Schritt raus aus der Leinwand, rein In das Kino, ins Leben war verweigert? Wäre den nicht aus der umgekehrten Perspektive; jene Frau mit der er was Anfangen könnte, eine Doppelagentin der Wirklichkeit! Die im Kino wie wir alle sitzen, nur den Schritt auf die Leinwand wagt und eben dann Unwillkürlich zur Schauspielerin wird. Dafür braucht es Mut und Vertrauen; auf beiden Seiten.  That´s Movie.

Der Planet Vakuum – 2016

Kolumne

Als alles zusammen viel und ich nicht weiter wusste in Hannover außer der Seelsorge einer Campuszeitschrift zu folgen, stand ich vor einer Tür und links neben der Tür war ein Plakat angebracht, mit dem Slogan von Francis Bacon, „Wissen ist Macht“ und ich ging durch diese Tür und alles was danach kam folgte diesem Motto. So stand ich oft in der Reihe vieler Städte und hinter mir folgte der Spruch, „der weiß Garnichts!“ oder „du Baby Schimmerlos“.

Ich würde aus heutiger Perspektive nicht sagen das Wissen Macht bedeutet, sondern das Unwissen manchmal auch Ohnmacht bedeuten. Es gibt da einen alten Spruch, „wenn die Kommunikation nicht ankommt“. So kann Unwissenheit gerade bei einem Ultimatum Spiel von Vorteil sein.

Aber in der Regel, ist Unwissenheit meist ein Wissensvakuum und ein Vakuum saugt eben alles was an Wissen da ist auf, auch wenn es Desinformation ist. Der Spruch habe keine Angst vor deiner eigenen Angst, kann eben auch anders gedacht werden, nicht Angst als Projektion deiner Angst, sondern Angst als Vakuum deiner Unwissenheit. Im Sinne Buddhas, wachsen aus Unwissenheit, negative Gefühle und aus negativen Gefühlen, wachsen negative Handlungen. So wie ein nicht bevölkerter Planet eben alle Satelliten langsam aber stetig in seine Umlaufbahn zieht, geht es eben auch dem Planet Wissensvakuum mit den Satelliten Angst.

Egal ob reale Angst oder irreale Angst der Planet saugt alles auf. Und da wir alle im Sinne von Sokrates unwissend sind ist es unser gemeinsames Schicksal.

Aber so wie der dunkle immer grösser werdende Planet in „das fünfte Element“ auf uns zukommt, haben wir eine Waffe die uns vor der Angst bewahrt. Liebe, kritisches Bewusstsein, eine Umarmung und die stillste Form von Mut, Vertrauen!

Italia, am Ende der Saison – 2016

Dokumentarischer Text

Heute ist stürmische See, alles aufgewühlt, keine Fische, keine Angler, nicht einmal die Krabben die sich sonst auf den Felsen tummeln sind zu sehen. Nur ich verlassen mit einem Bier sitze am Kai und beobachte die Arbeiten am Ufer gegen die Winterstürme.

Der Kinderspielplatz verwaist, der Pool ab 16 Uhr geschlossen, der Service am Strand ausgesetzt, die Brandung schlägt gegen die Befestigungsfelsen so das die Gischt auf die Promenade spritzt.

Vereinzelte arbeiten an der Lagune, die Fähre nach Venedig zu weit, das Bier hält einen auf Trapp, der Espresso schüttelt dich wach, die Wolken über dem Kopf lassen deinen Körper köcheln.

Verstehst nicht das TV Programm das in der Bar über die Tische hinweg flimmert, gut so, Ruhe. Gestern strahlte noch die Sonne auf den Strand, Liegestühle saßen gemächlich neben zirkulierenden Sonnencremes. Die alte Zeitung verblättert vom abendlichen Wind.

Immer wenn die Hitze verfällt, ziehen sich Gewitterwolken vom Meer über die Landmassen. Hochdruck und Tiefdruck, paaren sich zu einem Tanz über den Muschelbänken. Dann ist der all abendliche wiederkehrende Spuck vorbei.

Das Wlan zaubert, nicht gelesene Nachrichten aus der Heimat auf das Handy, das erste Bier, lässt dich poetische schwelgen, Bücher stapeln sich, um im Silberlicht gelesen zu werden. Das Fischrestaurant duftet nach den Früchten des Meeres. Der Käse schwitzt im Kühlschrank dem Genuss entgegen.

Der Oleander verblüht, die ersten Blätter fallen auch hier schon vom Geäst, welche sich im alten Land bunt färben. Freue mich auf die Feigen Zuhause, süß und rot die Frucht, schmeckt mit einem Crodino am besten, ein Schuss Grappa und grüne Oliven, machen das Gemenge zu einem Erlebnis.

Im Hafen liegen die Jachten, Ziel gesichert im Becken, es wird keiner mehr kommen in diesem Jahr der sie über die Wellenberge springen lässt, nur Taucher mit Harpunen jagen noch den großen Fischen hinterher.

Viele Hunde rennen über den Sand, verbeißen sich im Spiegel des Wassers, man sieht ihnen die Freude an. Das Salzwasser taucht tief in die Poren und verschließt die Haut leicht nässelnd, der Mensch weidet sich, lässt sich gehen und verordnet den kommenden Müßiggang im schönen Italien.

Teilnehmendes beobachten – 2016

Kolumne

Ich war gestern mit einem Kumpelinne spazieren. Ich bin diesen Weg schon öfters gegangen, als Kind, als Jugendlicher und als Erwachsener wie habe ich das in Erinnerung (Retention) und wie schätzte ich das zukünftig ein (Protention). Meine Kumpelinne hat mich gefragt wie lang gehen wir, ich konnte es nicht einschätzen. Husserl nennt das innere Zeitbewusstsein.

Und so setzten wir uns hin, und ich bestellte genau dasselbe was ich früher einmal in dieser Gastwirtschaft gegessen habe. Mir gegenüber war ein Pulk von Leuten und ich fixierte einen Augenblick eine Frau an, Sie löffelte einen Eisbecher. Dann verschwanden alle bis auf eine Frau und dass war eben die Frau mit dem Eisbecher. Heisenberg sagt ja, wenn wir unsere Umwelt beobachten verändert sich auch das Wessen des zu beobachtenden, so wie ein Elektron eben die Umlaufbahnen gewechselt hat, hat diese Frau Ihr verhalten durch meine Beobachtung verändert. Vielleicht war es auch nicht so in der zweiten Beobachterposition aber so scheint es eben in der ersten Ordnung.

In der Ethnologie spricht man auch von teilnehmender Beobachtung. Und der Forscher der vielleicht die Zapateros in Mexiko untersucht hat, muss natürlich seine störende Beobachter-position in der Feldforschung rausrechnen.

Und viele Ethnologen werden eben aus diesem Grund Dokumentarfilmer, weil die Kamera eben immer auch ein teilnehmendes Beobachten ist. Was eben wieder an Heisenberg erinnert.

Wenn ich jetzt rübergegangen wäre und Sie nach ihrer Nummer gefragt hätte, wäre das ethnologischer Aktivismus gewesen. Tat ich aber nicht!

Fährbesuch – 2014

Dokumentarischer Text

Vereinzelt blickt die Sonne zwischen den Bäumen auf die Mainschleife. Schon um 6uhr begann der Alltag zwischen den Welten des Fährmanns. Jetzt um 12 Uhr brennt sie hinunter. Auf der einen Seite Eschernbach auf der anderen, Nordheim. Man kann gut essen hier schreit ein Passant seinem Freund zu. Ich nicke und blicke in das Glas Lump.

Die Fähre legt an, gezogen und unterstützt von einem alten Motor. Ein Auto und zwei Radfahrer setzen über. Dann ein Traktorfahrer der seine Weinberge auf der anderen Uferseite pflegt. Nach einer halben Stunde kommt er wieder. Zündet sich eine Kippe an. Ein Schwätzchen mit dem Fährmann dann ist er wieder fort.

Absolute Stille und das schwappen des Mains, kontrastieren sich mit Fähr und Binnenschifffahrtsbetrieb. Vereinzelte Beförderungspersonen, dann wieder die Schwemme der Touristen. Immer in Bewegung. Immer zwischen den Ufern.

Buddha hätte seine Freude, nur das die Gegensätze beider Welten sich nicht so stark unterscheiden. Mainschleife hier, Mainschleife dort. Auf beiden Seiten wird Silvaner getrunken, gelebt, geliebt und gestorben.

In Nordheim sitz man im Strandkorb und schaut auf Eschernbach; wo man auf der Terrasse sitzt und auf die Fähre schaut. Weißer Sonntag hier, Kommunionstag dort, Ausflügler mischen sich mit Hießigen. Und der Main fließt dahin, wie eh und je, spiegelt die Sonne in die Gesichter beider Ufer. Der Fluss nährt, ist Mitte, ist leben.

Der Grusel vor der weißen Leinwand – 2013

Essay

Oft wenn ich als Beifahrer mit dem Auto über die Straßen fahre denke ich an den Wahnsinn, der hier jede Sekunde geschieht. Ich denke an den Wahnsinn das nichts passiert, ich meine das so viele Autos fahren, vorwärts, rückwärts, schlingern sich durch den Verkehr, bremsen und hupen und nichts passiert. Irgendwie ist das doch Wahnsinn oder nicht, guter Wahnsinn!

Dann denke ich an die funktionierende Gesellschaft, in der ich lebe, ich denke an meine Mitmenschen und die Gruppen und Peers und haste nicht gesehen, alles läuft wie Butter, keine Komplikationen und wenig Konflikte und wenn Konflikte werden sie meist verbal geregelt. Wieder so ein Wahnsinn, wir leben mit Millionen von Menschen zusammen und alles ist irgendwie geregelt; funktioniert. Nicht immer gut aber es läuft. Es läuft auch noch gut, wenn es z.B. keine Regierung gibt, keine Anarchie und jeder trägt mit seinem normierten Verhalten dazu bei.

Aber irgendwie gruselt es mich auch, klar gibt es Mord und Totschlag und Verkehrsunfälle, aber das ist doch die Ausnahme. Ich habe mal von einem Experten gehört, der sagte in einer gesunden Gesellschaft gibt es 10% Kriminalität, aber wo sind diese 10% in Auffahrunfällen, Steuerhinterziehung und Korruption.

Und wieso schauen so viele dann Tatort und gruseln sich dabei. Soviel Leichen wie wir aus dem TVs Kasten haben, begegnen wir in der Realität nicht und doch sitzen wir jeden Sonntag bei Limo und Chips vor dem TV Kasten und kucken. Warum?

Ich schaue da einem Kommissar zu wie er da einem Täter hinterher fahndet und alle wissen, wie es ausausgeht. Liegt darin der Sinn, denke ich mir. Aber warum! Woher kommt der Grusel, ist der Grusel erklärbar. Wenn man dann Bürgerkriege wie Syrien, Somalia, Ruanda oder Jugoslawien anschaut. Verkehrt sich das Bild einer funktionierenden Gesellschaft. Alles ist im Chaos erstickt. Deshalb gruselt es mich, wenn ich auf deutschen Autobahnen fahre, weil das Potenzial, das im Menschen schlummert, ebenso ins Gegenteil sich verdrehen kann. Da fällt mir das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch ein, dass er 1915 inmitten des ersten Weltkrieges gemalt hat. Er hat es so gemalt das aus dem schwarz, Dünne weiße risse durchscheinen. Hoffnung?

Ich glaube der Grusel im Horrorfilm kommt daher, dass wir alle dieses Potenzial in uns haben, vielleicht ist es eine Auseinandersetzung mit unserem Unterbewusstsein, wer weiß, klar der eine hat es mehr, der andere weniger, aber es ist da, in jedem von uns. Wahrscheinlich schaut man gerade in der Pubertät Horrorfilme, weil es identitaetsstiftend ist. Horrorfilme als Wachstums Schub, als analytische Auseinandersetzung mit uns selbst, wer hätte das gedacht. Und welche Funktion hat dann das Ballerspiel? Aus dieser Sichtweise habe ich es nie gesehen.

Das erinnert mich wieder an den Spruch, jeder der öffentlich-rechtlich kuckt wird ein guter Staatbürger. Der Grusel besteht in der Auseinandersetzung mit dem Täter, der keiner sein will, Schulddruck-Entlastung, deshalb schlagen wir uns auf die Seite des Kommissars. Dann herrscht wieder Gerechtigkeit ins uns und freuen uns über den guten Ausgang.

Es ist schon erstaunlich das gerade in Deutschland so viel Kriminalgeschichten gelesen und gekuckt werden. Wie so frage ich mich? Ich denke mir, solange es das Böse fiktional im TV gibt und alle kucken braucht man keine Sündenböcke in der Realität, die man an den Pranger stellt. Wieder gibt es eine Verbindung zwischen fiktionalen Stoffen und Auswirkungen in der Realität. Irgendwie spannend.

Der Beamer schaltet sich aus, ich schaue mich im vollen Saal um und ein Schauer läuft mir über den Rücken, 10 Prozent sage ich mir, dann sehe ich mich in der Spiegelung des Fensters und es gruselt mich wieder, dann schaue ich auf die weiße leere Leinwand, und jäh mehr ich auf die weiße leere Leinwand schaue, desto gruseliger wird mir. Egal sage ich mir, ist ja nur eine Projektionsfläche; es dauert und dauert und da ist er wieder da der Grusel Faktor.

Zeitenwende – 2013

Zwischen Lyrik, Prosa und dokumentarisch

Ich bin seit vier Tagen an der Adria,
die Stimmung wechselt wie meine Unter-
hosen, manchmal Regen, Wind und Wolken;
manchmal Sonne, Wellenlosigkeit und
spiegelndes Meer und Flaute, manchmal
brennt sie, manchmal verschwindet sie
hinter der Glocke über der Lagune.

Zeitenwende.

Das Ende des Sommers, der Anfang des
herbstes. Scharnierfunktionen gibt
es in der Kunst, der Literatur und
auch in der Geschichte, immer wenn
sich eine neue Stimmung er gibt wenden
sich die Zeiten. Hier ist es die Wende
zwischen Sommer und Herbst, zwischen
kurzen Hosen und langen, zwischen
baden und Regenspaziergängen am
Strand. Saisonende für die Rettungs-
Schwimmer und vielleicht Beginn für
die Muschelfischer.

Die Freaks kommen aus ihren Schnecken-
häusern, leere Strände zieht sie raus
in das Wechselwetter; Freaks wie ich
und du, die die Leere und die Einsamkeit
des saisonsende lieben.

Wo vor zwei Monaten die deutsche Welle
Richtung Mittelmeer schwappte, schwappt
jetzt die vom Wind aufgewühlte
Brandung gegen einen verlassenen Strand.
Hinter mir die letzten Wochen einer
Strandbar; nimmt die letzten Sonnen-
hungrigen mit einem Bona Serra und
einem guten Birra Moretti auf.

Es wird kühl in der Nacht, ich über-
lege ob ich mir Socken über die Nacht
anziehe. Auf dem platz verkauft jemand
selbst gestrickte Socken, dick und warm.
Tagsüber kühlt man das Bier, abends
kühlt es sich selbst.

Es ist wie das Spiel mit dem guten
Bullen und dem schlechten Bullen;
doch beide sind Cops, der Sommer und
der Herbst; zwei Systeme im Großen
System der Jahreszeiten. Der Sommer
hat gute und schlechte Tage der Herbst
hat gute und schlechte Seiten. Das
ewige schwarz / weiß Spiel, das Spiel
zwischen gut und böse, löst sich ab
und integriert sich in sich selbst in
einer unauflösbaren Zeitenwende die
sich hier am Strand durch Besucher
und Wetter offenbart.

Was bleibt ist der Geschmack von Salz,
wenn ich über die Lippen streiche
und der Wunsch wieder zukommen, an
den schönen leeren Strand an der
Lagune.