
Essay
Oft wenn ich als Beifahrer mit dem Auto über die Straßen fahre denke ich an den Wahnsinn, der hier jede Sekunde geschieht. Ich denke an den Wahnsinn das nichts passiert, ich meine das so viele Autos fahren, vorwärts, rückwärts, schlingern sich durch den Verkehr, bremsen und hupen und nichts passiert. Irgendwie ist das doch Wahnsinn oder nicht, guter Wahnsinn!
Dann denke ich an die funktionierende Gesellschaft, in der ich lebe, ich denke an meine Mitmenschen und die Gruppen und Peers und haste nicht gesehen, alles läuft wie Butter, keine Komplikationen und wenig Konflikte und wenn Konflikte werden sie meist verbal geregelt. Wieder so ein Wahnsinn, wir leben mit Millionen von Menschen zusammen und alles ist irgendwie geregelt; funktioniert. Nicht immer gut aber es läuft. Es läuft auch noch gut, wenn es z.B. keine Regierung gibt, keine Anarchie und jeder trägt mit seinem normierten Verhalten dazu bei.
Aber irgendwie gruselt es mich auch, klar gibt es Mord und Totschlag und Verkehrsunfälle, aber das ist doch die Ausnahme. Ich habe mal von einem Experten gehört, der sagte in einer gesunden Gesellschaft gibt es 10% Kriminalität, aber wo sind diese 10% in Auffahrunfällen, Steuerhinterziehung und Korruption.
Und wieso schauen so viele dann Tatort und gruseln sich dabei. Soviel Leichen wie wir aus dem TVs Kasten haben, begegnen wir in der Realität nicht und doch sitzen wir jeden Sonntag bei Limo und Chips vor dem TV Kasten und kucken. Warum?
Ich schaue da einem Kommissar zu wie er da einem Täter hinterher fahndet und alle wissen, wie es ausausgeht. Liegt darin der Sinn, denke ich mir. Aber warum! Woher kommt der Grusel, ist der Grusel erklärbar. Wenn man dann Bürgerkriege wie Syrien, Somalia, Ruanda oder Jugoslawien anschaut. Verkehrt sich das Bild einer funktionierenden Gesellschaft. Alles ist im Chaos erstickt. Deshalb gruselt es mich, wenn ich auf deutschen Autobahnen fahre, weil das Potenzial, das im Menschen schlummert, ebenso ins Gegenteil sich verdrehen kann. Da fällt mir das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch ein, dass er 1915 inmitten des ersten Weltkrieges gemalt hat. Er hat es so gemalt das aus dem schwarz, Dünne weiße risse durchscheinen. Hoffnung?
Ich glaube der Grusel im Horrorfilm kommt daher, dass wir alle dieses Potenzial in uns haben, vielleicht ist es eine Auseinandersetzung mit unserem Unterbewusstsein, wer weiß, klar der eine hat es mehr, der andere weniger, aber es ist da, in jedem von uns. Wahrscheinlich schaut man gerade in der Pubertät Horrorfilme, weil es identitaetsstiftend ist. Horrorfilme als Wachstums Schub, als analytische Auseinandersetzung mit uns selbst, wer hätte das gedacht. Und welche Funktion hat dann das Ballerspiel? Aus dieser Sichtweise habe ich es nie gesehen.
Das erinnert mich wieder an den Spruch, jeder der öffentlich-rechtlich kuckt wird ein guter Staatbürger. Der Grusel besteht in der Auseinandersetzung mit dem Täter, der keiner sein will, Schulddruck-Entlastung, deshalb schlagen wir uns auf die Seite des Kommissars. Dann herrscht wieder Gerechtigkeit ins uns und freuen uns über den guten Ausgang.
Es ist schon erstaunlich das gerade in Deutschland so viel Kriminalgeschichten gelesen und gekuckt werden. Wie so frage ich mich? Ich denke mir, solange es das Böse fiktional im TV gibt und alle kucken braucht man keine Sündenböcke in der Realität, die man an den Pranger stellt. Wieder gibt es eine Verbindung zwischen fiktionalen Stoffen und Auswirkungen in der Realität. Irgendwie spannend.
Der Beamer schaltet sich aus, ich schaue mich im vollen Saal um und ein Schauer läuft mir über den Rücken, 10 Prozent sage ich mir, dann sehe ich mich in der Spiegelung des Fensters und es gruselt mich wieder, dann schaue ich auf die weiße leere Leinwand, und jäh mehr ich auf die weiße leere Leinwand schaue, desto gruseliger wird mir. Egal sage ich mir, ist ja nur eine Projektionsfläche; es dauert und dauert und da ist er wieder da der Grusel Faktor.